Wir sind von hier – Stimmen zu 60 deutsch-türkischen Jahren
Zeitzeug*innen-Interviews
Eigens für die Ausstellung habe ich acht Video-Interviews geführt, die – von den Themen der Ausstellung ausgehend – eine Brücke in die Gegenwart schlagen. So werden Geschichte und vielfältige persönliche Erinnerungen und Lebensentwürfe unserer Einwanderungsgesellschaft zugänglich gemacht. Ich sprach mit dem Schriftsteller und Übersetzer Yüksel Pazarkaya, der Journalistin Aslı Sevindim, der Soziologin Necla Kelek, dem Investigativ-Journalisten Günter Wallraff, dem Sternekoch Ali Güngörmüş, der ehemaligen Profi- Fußballerin Tuğba Tekkal, der Musikerin Derya Yıldırım und dem Rassismus-Experten Derviş Hızarcı.
Mein Aufgabenbereich
Entwicklung, Konzeption, Umsetzung und Regie der Zeitzeug*innen-Interviews zwischen Februar und April 2021 gemeinsam mit Tobias Lindner (Kamera/Schnitt).
Trailer
Dauer: 02:00 Min.
Einzelne Interviews
Günter Wallraff
geb. 1942 in Burscheid, fühlt sich denjenigen zugehörig, die nicht dazugehören.
Er ist Journalist und Schriftsteller und wurde durch seine zahlreichen Undercover-Reportagen bekannt. Sein Vater erkrankte schwer infolge seiner Arbeit in der „Lackhölle“ bei Ford in Köln. Wallraff arbeitete seit 1983 in der Rolle des türkischen Gastarbeiters Ali Levent Sinirlioğlu bei verschiedenen Unternehmen, unter anderem bei McDonald’s und Thyssen. Seine Erfahrungen als vermeintlicher Gastarbeiter »Ali« mit Rassismus und Ausbeutung schilderte er im Buch „Ganz unten“ (1986), das ihn bis heute zu einem Helden für die türkeistämmige Community in Deutschland macht.
Dauer: 05:06 Min.
Ali Güngörmüş
geb. 1976 in Tunceli, wuchs in einem „anatolischen Büllerbü“ auf – im Dorf Pageou in der Türkei.
1986 kam er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Deutschland, wo sein Vater bereits seit 1966 als Schweißer arbeitete. Gegen den Willen seiner Familie ließ er sich in München zum Koch ausbilden. Seit 2005 betrieb er in Hamburg das „Le Canard Nouveau“, das 2006 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. Seit 2014 ist er Inhaber des „Pageou“ in München, wo er inspiriert durch die kulinarischen Eindrücke seiner Kindheit eine ganz eigene Küche entwickelt hat.
Dauer: 04:15 Min.
Derviş Hızarcı
geb. 1983 in Berlin-Neukölln, setzt sich für den jüdisch-muslimischen Dialog und den Schutz von Minderheitenrechten ein.
Derzeit entwickelt er Projekte für die Alfred Landecker Foundation. Hızarcı studierte Politik und Geschichte auf Lehramt, war Antidiskriminierungsbeauftragter der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie und berät den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Dr. Felix Klein. In seiner Zeit als Aufsichtsratsvorsitzender der Türkischen Gemeinde von Berlin unterstützte Hızarcı den interkonfessionellen Dialog. Er ist Vorstandsvorsitzender der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA e.V.) und war mehrere Jahre als Bildungsreferent am Jüdischen Museum Berlin tätig. In seiner Freizeit spielt er Fußball beim jüdischen Traditionsclub TuS Makkabi in Berlin.
Dauer: 03:34 Min.
Tuğba Tekkal
geb. 1985 in Hannover, möchte die Chancen, die sie selbst bekommen hat, auch anderen Frauen ermöglichen.
Mit 16 Jahren fing sie an, Fußball zu spielen, und landete aufgrund ihres Talents schnell im Vereinsfußball, bis sie schließlich in Köln auf Profiniveau spielte. Tekkal gründete zusammen mit ihrer Schwester, der Journalistin Düzen Tekkal, den Verein „Háwar.help“, der sich für die Rechte jesidischer Frauen einsetzt und vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert wird. Zudem ist sie Initiatorin des Projekts „Scoring Girls“, das Mädchen mit Fluchthintergrund und Menschen aus sozial schwachen Ortsteilen ein freies Fußballspielen anbietet. Für die Bildungsinitiative GermanDream ist sie als Wertebotschafterin tätig.
Dauer: 04:30 Min.
Yüksel Pazarkaya
geb. 1940 in Izmir, wanderte 1958 nach Deutschland ein und berichtet über das „Ankommen in einem fremden Land und in einer fremden Sprache“.
Er ist Schriftsteller und Übersetzer und gilt als einer der Vorreiter des deutsch-türkischen Dialogs in der Literatur. In seinen Werken thematisiert er Migration und Diskriminierung. Seine Gedichte und Übersetzungen brachten ihm zahlreiche deutsche und türkische Literaturpreise ein. 1987 erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Als Übersetzer von Werken bekannter türkischer Schriftsteller wie Gülten Akın, Orhan Veli, Nazım Hikmet und Aziz Nesin sowie deutscher Klassiker von Goethe über Brecht bis Walter Helmut Fritz vermittelt er zwischen den Kulturen.
Dauer: 04:23 Min.
Aslı Sevindim
geb. 1973 in Duisburg, war die erste türkische Moderatorin der „Aktuellen Stunde“ im WDR.
Sie studierte Politikwissenschaften an der Universität Duisburg- Essen. Parallel zu ihrem Studium arbeitete sie bereits als Moderatorin und Autorin bei Radio Duisburg, vor allem für türkischsprachige Sendungen. Ab 2004 moderierte sie beim WDR „Cosmo TV“ und ab 2006 die „Aktuelle Stunde“. Ihr Debütroman „Candlelight Döner. Geschichten über meine deutsch-türkische Familie“ (2005) kommt mit viel Witz und einer gehörigen Portion Selbstironie daher. 2010 war sie eine von vier Direktor*innen für den Bereich „Stadt der Kulturen“ im Kulturhauptstadtjahr der Metropole Ruhr. Seit 2019 leitet Sevindim die Abteilung Integration im nordrhein-westfälischen Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration.
Dauer: 03:48 Min.
Derya Yıldırım
geb. 1993, wurde „im Hafen geboren“ und ist Hamburgerin durch und durch.
Als Musikerin führt sie traditionelle türkische Poesie in die Gegenwart und Zukunft. Yıldırım sang bereits als Kind im Chor, erlernte von klein auf Klavier, Gitarre, Oud, Saxofon und Bağlama (Langhalslaute); Letzteres von ihrem Vater. Ihr an der Hamburger Musikhochschule begonnenes Studium setzte sie im Fach Bağlama bei Taner Akyol an der Universität der Künste in Berlin fort. Yıldırım fusioniert mit ihrer Band Grup Şimşek, in der sie singt und Bağlama spielt, anatolische Rhythmus-, Harmonie- und Melodiekonzepte mit modernen westliches Grooves und Anklängen von Psychedelia, Jazz und Funk. Das Debütalbum „Kar Yağar“ („Schneefall“) erschien im Mai 2019.
Dauer: 03:36 Min.
Necla Kelek
geb. 1957 in Istanbul, streitet für Menschen- und insbesondere Frauenrechte.
Die promovierte Soziologin und Publizistin lebt seit 55 Jahren in Berlin und Hamburg. Sie machte sich als Kritikerin des patriarchalen Frauenbilds im traditionellen Islam einen Namen. Ihre Bücher über migrantisches Leben in Deutschland und islamische Rollenbilder prägten die Debatte um Integration und Islam in Deutschland nachhaltig. Von 2005 bis 2009 war Kelek Mitglied der Deutschen Islamkonferenz, 2006 Mercator-Professorin der Universität Duisburg-Essen. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Geschwister-Scholl-Preis 2005 und dem Freiheitspreis der Friedrich-Naumann-Stiftung 2011.
Dauer: 04:13 Min.