Paradiesbaum Erfurt
Für Jerusalem schufen die Künstler Ruth Horam (1931–2021) und Nihad Dabeet (1968-2024) eine Olivenbaumskulptur aus Stahl und Kupfer, die ihren Wunsch nach Frieden und ihre besondere Bindung zum Land Israel versinnbildlicht. Auf einem Spaziergang durch Talbyie (Jerusalem) entdeckte ich dieses imposante Kunstwerk – und war so beeindruckt, dass ich auch in Deutschland einen Ort für solch eine Olivenbaumskulptur finden wollte. Unter großem Einsatz des Projektpartners ACHAVA e.V. fanden wir diesen Ort in Erfurt: das israelische Künstler-Duo entwickelte den Paradiesbaum für Thüringen, der im September 2020 auf dem symbolträchtigen Petersberg eingeweiht wurde.
Inmitten der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 hat der Metallkünstler Nihad Dabeet den öffentlichen Raum in seiner Heimatstadt Ramle (Israel) zur Werkstatt umfunktioniert. Er schweißte und fertigte in der Gasse vor seinem Haus den fast 8 m hohen Baum für Erfurt. Dabei fügte Nihad die schweren Metallgestänge zu einem beeindruckenden, archaisch anmutenden Kunstwerk zusammen und fügte 50.000 handgeschnittene Kupferblätter hinzu, die im Laufe der Zeit grün oxidieren und damit dem Kunstwerk besondere Strahlkraft verleihen.
Mein Aufgabenbereich
Initiatorin und Kuratorin | Herstellung Kontakt zwischen den Künstlern und den ACHAVA Festspielen Thüringen | Entwicklung eines partizipativen Konzeptes zur Finanzierung über einen Blätterverkauf | Entwicklung und Umsetzung Begleitprogramm | Entwicklung künstlerischer Workshops mit Nihad Dabeet (zusammen mit ACHAVA).
Projektträger: ACHAVA e.V.
Finanzierung: u.a. Sparkasse Mittelthüringen
Weitere Informationen zum Projektverlauf (Transport nach Deutschland, Einweihung in Erfurt im September 2020 und Blog) und Blätterverkauf: www.paradiesbaum.org.
Presse
Beitrag ARD/ Susanne Glass, 2020
Deutschlandfunk, Nihad Dabeet und Alexandra Nocke im Interview mit Blanka Weber, 28.10.2020:
Galerie
Ruth Horam erzählt – Grussbotschaft für die Eröffnung am 20.9.2020:
Mein Brief an Nihad. Verlesen im Rahmen der Gedenkfeier zu seinen Ehren am 21.1.2024 auf dem Petersberg in Erfurt
Lieber Nihad,
wir sind hier ohne Dich. Aber hier ist Dein Ort. Mit Deinem Baum. Der Weg zum Baum auf dem Petersberg war steinig. Aber es ist geglückt – allen Widrigkeiten zu Trotz – Deinen Baum hier Wurzeln schlagen zu lassen.
Es ist Dir gelungen scheinbar unüberbrückbare Hindernisse zu überwinden und – auf einer anderen Ebene – Räume miteinander in Beziehung zu setzen. Historisch. Politisch. Aber vor allem menschlich.
Du hast unsere Herzen erobert. Bist durch Erfurt gestreift, warst bald bekannt wie ein bunter Hund. Du hast hier Deine Spuren hinterlassen, Freundschaften geknüpft und uns ein riesiges Geschenk gemacht.
Erdacht wurde dieser Baum von der Künstlerin Ruth Horam und Dir. Ihr konntet ungleicher nicht sein: entstammtet verschiedener Generationen, verschiedener Lebenswelten – wart aber: seelenverwandt. Es war zunächst nichts weiter als eine abwegige Idee, diesen Baum nach Erfurt zu bringen. Deine fast kindliche Beharrlichkeit, Deine Hingabe und Zuversicht, Deine Begeisterungsfähigkeit haben uns angesteckt. All Deine Kraft und Kreativität ist in dieses Projekt geflossen. Für Zahlen und Kalkulationen und andere lästige administrative Fragen oder Verhandlungen mit Ämtern hast Du zum Glück Verbündete gefunden, die diesen Ballast erledigt haben. So konnte Ruths und Dein Traum, der längst zu unserem Traum geworden war, realisiert werden.
Die Welt ist ärmer ohne Dich. Aber Du hast uns diesen Ort hinterlassen, einen Ort an dem die Grenzen zu schmelzen scheinen, Fragen nach Religion, Herkunft und Gesinnung keine Rolle spielen. Du hast es uns vorgelebt. Auch Du passt in keine Schublade – es gab keinen Rahmen für Dich. Du hast uns gezeigt, dass Zuordnungen und Kategorien keine Rolle spielen.
Dein Leben war abenteuerlich und intensiv. Deine Reise führte dich durch ferne Welten, begleitet von Höhen und Tiefen, die du durchlebt hast. Das alte Templerhaus in Ramle war ein Anker in dieser wilden Welt – für Dich, Deine Frau Salwa und Deine Kinder. Samira, Cecille, Samir und die kleine Salam. Dort hast Du auch unseren Baum gefertigt. Mitten in der Pandemie – während des ersten Lockdowns in Israel – hast Du ihn geschaffen. Du hast kurzerhand den Wendehammer vor Deinem Haus in ein Freiluftatelier umgewandelt und diese bedrückende Zeit, in der Israel und die ganze Welt stillstand, mit Kreativität und Spiritualität erfüllt. Dann wurde dieser Baum – viele erinnern sich noch daran – im Jahr 2020 hier eingeweiht. Es war ein Fest und Du strahltest. Gestrahlt hat auch die Skulptur Deiner Frau Salwa, die Du mitgebracht hast – sie leuchtete von innen und von ihrem modellierten Kopf aus gingen Strahlen direkt in den Himmel. Sie war Deine Muse.
Als Ruth dann 2021 starb, haben wir beide hier, an ihrem Grab wie Du sagtest, gemeinsam das Leben gefeiert und einen Drachen mit ihrem Antlitz in den Himmel steigen lassen. Jahr um Jahr hast Du dann in diesem Baum gesessen, den Du als Dein weiteres Kind bezeichnet hast. Mit Deinen von der Arbeit rissigen Fingern hast Du Blatt für Blatt an diesen Zweigen befestigt. Jedes Blatt erzählt eine Geschichte. Dabei hast Du uns gezeigt, was Herzblut und Leidenschaft wirklich bedeutet.
Du hast so viele scheinbar unvereinbare Räume miteinander in Beziehung gesetzt, Strukturen, Gesetzlichkeiten und Prinzipien auf den Kopf gestellt. So hast Du – gegen alle Widerstände – einen Kraftort geschaffen.
Dieser Ort bleibt.
Er ist eine Inspiration und soll uns immer daran erinnern, was Toleranz, Menschlichkeit und Gemeinsamkeit bedeuten und bewirken können. Das die vielen einzelnen Geschichten das große Ganze ausmachen.
Möge dieser Ort uns allen den Mut geben, an die Erfüllung von Träumen zu glauben.
Möge er uns die Kraft geben, die Werte des Paradiesbaumes weiterzutragen.
Möge er uns auch die Entschlossenheit geben, diese Botschaft zu verteidigen und uns einzusetzen gegen Hass, Ausgrenzung, Vorurteile und Rassismus.
Danke, Nihad.